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Gemeinsam Mensch und gemeinsam Gottes Ebenbild; zur Ethik der weltweiten humanitären Soforthilfe
(2009)
Katastrophen sind außergewöhnliche Schadenereignisse mit Dimensionen, die das Leben und die Sicherheit von zahlreichen Menschen und Tieren gefährden und eine Vernichtung von zahlreichen materiellen Gütern bewirken. Die Auswirkungen von Katastrophen sind mit dem lokal oder regional vorhandenen Potenzial an Rettungskräften, Material und Gerät sowie mit den vorhandenen Versorgungsstrukturen nicht mehr beherrschbar. Zur Bewältigung bedarf es daher massiver Hilfe von außerhalb der Schadensregion und ungewöhnlicher Maßnahmen. Das betrifft in besonderer Weise Länder mit unterentwickelten Strukturen der Notfallvorsorge und des Gesundheitswesens; hier ist die Hilfe der internationalen Gemeinschaft gefordert. Nach Ansicht der Kommission für Internationale Zusammenarbeit (KIZ) der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH) ist es prioritäre Aufgabe, den fließenden Übergang zwischen Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit verstärkt wahrzunehmen und zu untersuchen. Zur Prävention unerwünschter pharmakologischer und volkswirtschaftlicher Langzeiteffekte in diesem Zusammenhang ist ein verantwortungsvoller und mit den lokalen Behandlungsrichtlinien und Aufsichtsbehörden abgestimmter Umgang mit Arzneimittelimporten anlässlich internationaler Nothilfeprogramme von besonderer Bedeutung.
A record of morbidity and medical request profiles in international humanitarian aid, taking the earthquake in BAM in Iran in 2003 as an example Objective: With the humanitarian work of the International Red Cross after the earthquake in BAM, Iran, it should be noted that international and national cooperation is possible according to recognised standards and concepts, and therefore morbidity records can be included uniformly in the context of day to day work even in post disaster situations. The data ascertained show changes in the disease spectrum. Basic health provision according to the primary health care concept has priority in the post disaster response (> 6 days) of the earthquake compared to more surgically oriented medical acute aid from abroad. Material and methodology: In the international consensus conference at the beginning of January 2004, uniform morbidity recording was fixed to simple standardised case definitions. The recording of traumatic, infectious and non-infectious diseases was carried out during the routine work in the out-patient facilities of the emergency response units of January 3 to 31, 2004 . Examination was according to the following indicators: Proportional morbidities, sum of the proportional morbidities. Results and discussion: 16677 new cases were included in the complete examination time period. The health facility rate only gradually increased. Temporal fluctuations in the numbers treated may be caused by secondary care of the injured, by a possible lack of accessibility (transport problems) or an increased acceptance of facilities. A written specification of the case definitions was not carried out in BAM, and so a comparison is not possible for recorded morbidities at the same time, and consistency cannot be reached for some of the data. Nine diagnoses/categories cover 98.68% of the consultations in the complete time period. Non-traumatic health problems predominate for the whole of the month. The category "others" is too high with 57.94%. Therefore, it may be assumed that certain diagnoses were overestimated, underestimated or not recognised. Vulnerable groups (children, women, the old), were not completely included. Conclusion: Standards and guidelines for health care in humanitarian aid exist, and are of help during planning, decision finding, execution and communication. Data acquisition instruments (registering books and patient files) should be developed and standardised by national and international humanitarian groups. The recording of morbidity is a simple instrument in the context of out-patient facilities with valuable information for further work during catastrophes.
Zwar ist seit nunmehr 20 Jahren von direkten kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr auszugehen, dennoch könnten natürliche, technische oder terroristische Schadensereignisse auch hierzulande kaum steuerbare Fluchtbewegungen auslösen. Für die Organisation und Praxis der Nothilfeleistung und Daseinssicherung wäre zunächst eine sorgfältige völkerrechtliche Einschätzung der Situation unverzichtbar. Bei einer reinen Binnenmigration bleiben die nationalen Ordnungsbehörden federführend, während bei jeder grenzüberschreitenden Flüchtlingsbewegung die Vereinten Nationen und ihre Fachbehörden (UNHCR, WHO, OCHA) hinzutreten und die internationale Koordination der Hilfeleistung übernehmen könnten oder diese im Falle zusammengebrochener Staatsstrukturen (failing state) übernehmen müssen. Besonders dem United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) kommt bei der internationalen humanitären Nothilfe eine federführende Rolle zu (OCHA 2009). Auch ein Land wie Deutschland, das sich in Fragen der internationalen Soforthilfe bislang eigentlich nur als ein Geberland definiert, würde im Falle einer großen Katastrophe und Fluchtbewegung natürlich auf die sofortige Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft rechnen können, wie sie beispielsweise nach dem verheerenden Erdbeben im iranischen Bam 2003 oder nach der Tsunamikatastrophe von 2004 geleistet wurde. Jede ausländische medizinische Hilfeleistung hat sich an den lokal üblichen und vorgeschriebenen Therapiestandards zu orientieren, internationale Organisationen haben lokal herrschendes Gesundheitsrecht zu respektieren. Erst bei Fehlen angemessener nationaler Regelungen oder bei einem vollkommenen Zusammenbruch nationaler Ordnungsstrukturen werden die Standards der WHO oder des Sphere-Projekts zugrunde gelegt (Sphere 2004). Auch ein traditionelles "Geberland" wie Deutschland würde im Falle einer großen Katastrophe natürlich mit der sofortigen Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft rechnen können! Die Erfahrung der ungenügend koordinierten internationalen Hilfe im afrikanischen Zwischenseengebiet nach dem Genozid in Ruanda hatte zur Intensivierung der Bemühungen namhafter international tätiger Hilfsorganisationen um Zusammenarbeit und Qualität geführt. Mit der Gründung des Sphere-Projekts wurde 1997 ein verbindlicher Rahmen normativer und technischer Standards für die internationale Nothilfe geschaffen. Zu den hier niedergelegten ethischen Fundamenten der Nothilfe zählen die völkerrechtlichen Grundsätze der Neutralität und Unparteilichkeit, die Verpflichtung zur Koordination aller Hilfsmaßnahmen unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse und Kompetenzen der Betroffenen sowie hinsichtlich der Langzeitwirkungen auf die Lebensbedingungen und die künftigen Notfallressourcen der Hilfsempfänger (Sphere 2004). Technische Leitlinien der Daseins- und Gesundheitsfürsorge in Katastrophen werden daneben kontinuierlich von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Vereinten Nationen online auf den Seiten "reliefweb" und "health library for disasters" veröffentlicht (OCHA 2009, WHO/PAHO, 2009). Für Fragen zu Daseinsvorsorge und Nothilfe bei Flüchtlingsbewegungen sollten die Verantwortlichen der Gefahrenabwehr die Auslandsdelegierten der internationalen Hilfsorganisationen mit ihren umfangreichen Realerfahrungen zu Rate ziehen.
Ein verheerendes Erdbeben zerstörte am 26. Dezember 2003 die südiranische Stadt Bam und forderte über 36000 Menschenleben. Unter Beteiligung von dreizehn freiwilligen Helfern des Deutschen Roten Kreuzes stellte die internationale Rotkreuz- und Rothalbmondföderation die vollkommen vernichtete medizinische Infrastruktur im Erdbebengebiet für die verbliebene Bevölkerung sicher. Das System schnell einsetzbarer mobiler Gesundheitseinrichtungen (Emergency Response Units) der Rotkreuzbewegung bewährte sich auch in Bam wieder. Erstmals gelang es hierbei, auch in der Akutphase der Katastrophe ein einheitliches und für alle Organisationen verbindliches tägliches Berichtswesen durchzusetzen. Die hiermit erhobenen Fallzahlen belegen für die humanitäre Hilfe auch in einem Erdbebengebiet erneut die überragende Bedeutung der Basisgesundheitsversorgung im Sinne des Primary-Health-Care-Konzeptes gegenüber einer eher chirurgisch orientierten medizinischen Akuthilfe aus dem Ausland.
Die Tigray and Afar Wasser Initiative (TAWI) ist ein Kooperationsprojekt der Mekelle Universität (Äthiopien), der Fachhochschule Münster und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Gegenstand der Initiative ist die Wasserversorgung im ländlichen Raum der besonders wasserarmen Regionalstaaten Tigray und Afar im semi-ariden Norden Äthiopiens. Im Untergrund ist häufig noch Wasser zu finden, das gelegentlich auch von Menschen zu landwirtschaftlichen Zwecken extensiv genutzt wird. Dichtwände im Untergrund können dazu dienen, diese Nutzung zu intensivieren und zusätzlich den Landschafts-Wasserhaushalt positiv zu beeinflussen. Die so aufgestauten unterirdischen Wasserspeicher sollen als kleine bzw. kleinste Anlagen dezentral die Versorgungslage kleiner, lokaler Bevölkerungsgruppen verbessern. Gleichzeitig vermeidet die unterirdische Speicherung die Gefahr einer Erhöhung der Inzidenzrate für beispielsweise Malaria, wie sie infolge von oberirdisch angelegten Ponds nachgewiesen worden ist.
Entgegen einer vorwiegenden Berichterstattung über spektakuläre internationale Rettungsmaßnahmen nach Katastrophen und Gewaltausbrüchen stehen tatsächlich bei der humanitären Nothilfe der Ersatz zerstörter Infrastrukturen, der Gesundheitsschutz und die Gesundheitsförderung für Opfer und Betroffene im Mittelpunkt. Humanitäre Soforthilfe oder Nothilfe ist eine kurzfristige externe Maßnahme, um akute Unterversorgung im Bereich der Infrastruktur oder auf medizinischem Gebiet zu überbrücken. Sie wird erforderlich, wenn die Daseinsvorsorge durch eigene Kräfte aus der betroffenen Bevölkerung nicht mehr ausreicht oder aber auch politisch nicht erwünscht ist. Primäre Maßnahmen der Soforthilfe bestehen in der Sicherstellung von Trinkwasser, Ernährung, Hygiene, Unterbringung und Gesundheitsversorgung vor dem Hintergrund völkerrechtlicher und humanitärer Standards. Die Notwendigkeit humanitärer Soforthilfe kann sich durch Naturkatastrophen, technische Großschadensereignisse oder kriegerische Gewalt ergeben. Zunehmend häufiger sind aber auch "komplexe Katastrophen" mit gleichzeitigem Zusammentreffen mehrerer dieser Umstände sowie dem Fehlen staatlicher Ordnungsstrukturen. Die früher klare Unterscheidung zwischen natürlichen und von Menschen gemachten Katastrophen ist in den letzten Jahren kaum mehr aufrecht zu erhalten. Naturereignisse wie Erdbeben und Überschwemmungen brechen zwar von ihrer physikalischen Ursache her in der Tat oft schicksalhaft über ihre Opfer herein, ihre fatalen Auswirkungen aber entfalten sie oft nur aufgrund verfehlter Siedlungspolitik, unzureichender Beachtung und Durchsetzung von Bauvorschriften, rücksichtsloser Gewässerbegradigung und -verunreinigung oder globaler Klimaveränderung. In anderen Worten, aus Naturereignissen werden durch vorauf gegangene unbedachte menschliche Interventionen zunehmend Naturkatastrophen. Auf zahlreichen Schauplätzen lang dauernder bewaffneter Konflikte ist schließlich die Naturgewalt als Dürre oder Flut zu einem Instrument im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen geworden. Selbst die internationale Hilfe steht dort immer in der Gefahr, als ein Faktor, der den Krieg unterstützt, missbraucht zu werden. Das Übergewicht akutmedizinisch-technischer Rettungsdienste in allen Katastrophensituationen kann einen Interessenkonflikt zwischen Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit hervorrufen. Nothilfe kann unbeabsichtigt zeitweilig lokales Personal aus vorhandenen Gesundheitsdiensten abwerben und Abhängigkeiten in pharmazeutischer oder technologischer Hinsicht bei der betroffenen Bevölkerung hervorrufen. Weiterhin können im Rahmen von Nothilfeaktionen psychologisch begründete Konflikte zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen erzeugt oder aktualisiert werden, wenn sich die nicht direkt betroffene Mehrheitsbevölkerung schlechter versorgt fühlt als die Flüchtlingsbevölkerung.
Die Organisationen der internationalen Soforthilfe haben in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Anstrengungen zur Professionalisierung, Standardisierung und Koordination aller Hilfeleistungen unternommen. Die dabei gewonnenen epidemiologischen Daten belegen auch für Katastrophensituationen die besondere Bedeutung präventiver Maßnahmen im Bereich von Public Health, Pädiatrie und kommunaler Hygiene.
Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität. Münsterscher Kongress zur humanitären Hilfe 2011
(2012)
Organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen in der Praxis der internationalen Soforthilfe
(2012)
Warum helfen?
(2012)
Gesundheit in ihrer zeitgemäßen Definition beinhaltet den Begriff der Autonomie und muss damit auch ein abweichendes Gesundheitserleben zulassen. Die Fachleute in unserem Gesundheitssystem haben zwar die Verpflichtung, die Bevölkerung über ihre wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention zu informieren, dem Individuum ist andererseits aber keine Verpflichtung zur Befolgung dieser Gesundheitsratschläge abzuverlangen. Eine explizite Pflicht, gesund zu sein, findet sich historisch überwiegend nur in diktatorischen Systemen. Eine Gesundheitspflicht als gesellschaftlich mehrheitsfähiges Konstrukt mit implizitem Zwangscharakter im Sinne des Healthismus ist allerdings schon seit längerer Zeit weit verbreitet.
The Tigray and Afar Water Initiative (TAWI) is a collaboration between the Mekelle University (Ethiopia), the Muenster University of Applied Sciences (Germany) and the Westfalian Wilhelms-University Muenster (Germany). This special initiative is concerned with the rural water supply for the particularly water-scarce regional states of Tigray and Afar in the semi-arid north of Ethiopia. This paper describes a pilot project near the village of Koraro, Hawzen county in the Tigray region and deals with river reaches or creeks which carry water for short periods and only after the longer of two rainy seasons. When these waters run dry, water is still often to be found under the dry beds and is used casually by local people for agricultural purposes. An impermeable wall constructed as a subsurface dam to retain water in the ensuing subsurface micro-reservoir under the bed of such rivers could enable this usage to be intensified and hence enhance the water supply of small local user-groups, while at the same time positively influencing the landscape water balance. Here, the word micro refers to the fact that only the pores of the granular soil of an alluvial river bed are used to store water. Furthermore, storing water underground also avoids the danger of increasing the incidence of diseases such as malaria, a consequence of open water ponds.
Ebola-Management in Westafrika, was können wir daraus lernen? Hochschule der Polizei am 12.11.2015
(2015)
Aufgrund der großen Vorzuege des Berufsbildes Oecotrophologie im internationalen Vergleich halte ich die vorschnelle Aufgabe der Interdisziplinaritaet und die Aufspaltung bestehender Studiengaenge in Spezialdisziplinen von Ernaehrung, Gesundheit und Lebensmitteltechnologie für verhaengnisvoll, zumal diese Taetigkeitsfelder traditionell bereits seit Jahrzehnten von akademischen oder Ausbildungsberufen fest besetzt sind und die kuenftigen akademischen Oecotrophologie-Spaltprodukte sich hier immer einer ganz erheblichen Konkurrenz ausgesetzt sehen werden. Oecotrophologie als sinnstiftende Verbindung von Haushalts-, Sozial- und Ernaehrungswissenschaften bewaehrt sich uebrigens ja gerade wieder angesichts derzeitiger Herausforderungen durch die hohe Zahl zufluchtsuchender Menschen in unserem Land bestens. Oecotrophologie in ihrer bisherigen Form hat weltweit eine unerreichte Qualitaet und Tradition als interdisziplinaer angelegte Disziplin der Daseinssicherung. Ihre Spaltprodukte werden in der bunten Vielfalt akademischer Spezialausbildungen nur zusaetzliche, farblose und letztlich entbehrliche Sonderwege bleiben.