Kohmäscher, Anke
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Präambel
Ausgangslage
Seit Einführung der Modellklausel im Jahr 2009 befindet sich die Logopädie als Gesundheitsfachberuf im Prozess der Akademisierung und Professionalisierung (Klotz, 2018). Dabei wird ein Wandel der einstigen Heilhilfsberufe zu Professionen angestrebt, „die in einem gesellschaftlich relevanten Problemfeld wissenschaftlich begründbare Leistungen erbringen“ (Klotz, 2018, S. 4). Wesentlicher Bestandteil einer solchen Professionalisierung ist eine akademische Ausbildung sowie wissenschaftlich fundiertes Spezialwissen.
Neben Aspekten der Weiterentwicklung der Ausbildung wurde schon 2012
der Auf- und Ausbau von Forschung als bedeutsame Herausforderung benannt (Gesundheitsforschungsrat, 2012). Dabei hob der Wissenschaftsrat (2012) die Sonderrolle der Logopädieforschung innerhalb der Therapiewissenschaft heraus, da enge Bezüge zu den traditionell universitären Disziplinen wie den Sprachwissenschaften oder der Neurolinguistik bestünden und damit bereits eine breite Forschungsbasis vorhanden sei. Auf der anderen Seite besteht für die Disziplinentwicklung der Logopädie/ Sprachtherapie die Herausforderung, dass dieser unterschiedliche Berufsgruppen wie LogopädInnen, SprachheilpädagogInnen, klinische LinguistInnen, PatholinguistInnen und weitere Berufsgruppen angehören.
Obwohl in der Praxis die gleichen Störungsbilder behandelt werden, ist
das Selbstverständnis nicht identisch: während in der Sprachheilpädagogik
die (sonder)pädagogische Ausrichtung wesentlich ist, ist die Logopädie
eher medizinisch orientiert und die klinische Linguistik sprachwissenschaftlich ausgerichtet. Grohnfeldt (2018) fordert dementsprechend eine weiterführende Diskussion zur Wissenschaftlichkeit in der Logopädie/ Sprachtherapie mit der Betonung einer eigenen, gemeinsamen Identitätsentwicklung.
Die HerausgerInnen dieses Tagungsbandes widmen sich seit 2019 dieser
Thematik und haben einen Diskurs zum forschungsmethodischen Grundverständnis in der Logopädie/Sprachtherapie angestoßen (Kohler, 2019 und 2021; Kohler et al. 2020a&b, 2021, 2022). Hintergrund ist die seit Jahren zunehmende Forderung nach evidenzbasiertem Arbeiten in der Logopädie/ Sprachtherapie. Dabei wird eine unreflektierte Übertragung der Ansprüche an Wirksamkeitsnachweise, wie sie im medizinischen Bereich vorzufinden sind, für die Logopädie/Sprachtherapie kritisch gesehen. Der sprachtherapeutische Alltag zeichnet sich nämlich durch stark individualisierte, komplexe Interventionen über einen längeren Zeitraum aus.
Zahlreiche Einflussfaktoren innerhalb und außerhalb der Therapie spielen für den Therapieerfolg eine bedeutsame Rolle und sollten somit in Wirksamkeitsstudien mit einfließen können. Stark kontrollierte Studien, wie sie in der Medizin als Goldstandard gelten, können nur bedingt Aussagen darüber bieten, wie wirksam eine Intervention im klinischen Alltag tatsächlich ist.
Für einen breiten Diskurs über die forschungsmethodische Ausrichtung
der Logopädie/Sprachtherapie initiierten die HerausgeberInnen 2022 ein
von der VW-Stiftung gefördertes, dreitägiges Symposium zum Thema
„Einzelfallorientierte Forschung in Sprachtherapie/Logopädie“. Ziel war es einerseits die bereits bestehende Expertise der 30 Teilnehmenden in diesem Forschungsfeld zusammenzuführen, methodische Bedarfe aufzudecken und ein gemeinsames Methodenverständnis für eine Evidenzbasierung in Logopädie/Sprachtherapie zu entwickeln. Das vorliegende Herausgabewerk spiegelt das Geschehen dieses Symposiums wider und versteht sich als Auftakt zu einem kontinuierlichen Diskurs. Der Wissenschaftsrat betonte 2023 erneut die Relevanz der Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe als wissenschaftliche Disziplin (WR, S. 5-6) und konstatierte: «Wichtig für die Disziplinbildung sind insbesondere gemeinsame Forschungs- und Lehrgegenstände, Erkenntnisperspektiven sowie Methoden und Qualitätsstandards. In sozialer Hinsicht besteht eine Disziplin
aus einer Gemeinschaft von Expertinnen und Experten, die ihre Forschung auf das Gebiet der Disziplin konzentrieren und deren disziplinspezifische Kommunikation über Publikationen, Fachtagungen und Fachzeitschriften erfolgt.» (WR, S. 49). Damit sollte das Ziel verfolgt werden, eine eigenständige Disziplin der „Gesundheitsfachberufe“ und damit inbegriffen
der Logopädie/Sprachtherapie neben der Medizin und anderen Fächern
zu etablieren, um derer zu stärken. Zudem wurde die Logopädie im
Mai 2023 in das Portal «Kleine Fächer» des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) aufgenommen. Auch damit wird das Ziel verfolgt, die Logopädie/Sprachtherapie in der Hochschullandschaft sichtbarer zu machen.
Purpose: This study investigated the effectiveness of the stuttering modification intervention Kinder Dürfen Stottern (KIDS) in school-age children who stutter.
Method: Seventy-three children who stutter were included in this multicenter, two-group parallel, randomized, wait-list controlled trial with a follow-up of 12 months. Children aged 7–11 years were recruited from 34 centers for speech therapy and randomized to either the immediate-treatment group or the 3 months delayed-treatment group. KIDS was provided by 26 clinicians who followed a treatment manual. Although the primary outcome measure was the impact of stuttering (Overall Assessment of the Speaker’s Experience of Stuttering–School-Age [OASES-S]), the secondary outcomes included objective and subjective data on stuttering severity.
Results: At 3 months postrandomization, the mean score changes of the OASESS differed significantly between the experimental (n = 33) and control group (n = 29; p = .026). Furthermore, treatment outcomes up to 12 months were analyzed (n = 59), indicating large effects of time on the OASES-S score (p < .001, partial η2 = .324). This was paralleled by significant improvements in parental ratings and objective ratings (stuttering severity, frequency, and physical concomitants).
Conclusions: The significant short-term treatment effects in the OASES-S are in line with the (initial) focus of KIDS on cognitive and affective aspects of stuttering.
Over 12 months, these changes were maintained and accompanied by
behavioral improvements. The results suggest that individual treatment with KIDS is an adequate treatment option for this age group.